Zakoo.de: Die schlimmste Nebenwirkung ist die Strafverfolgung

Am 28.02.2011 führte Andreas Widmann ein Interview mit Georg Wurth zum Thema Cannabis. Er äußert sich über die Arbeit des Deutschen Hanfverbandes, die Problematik der Drogenprohibition und die derzeit laufende Petition zur Entkriminalisierung von Cannabis. Auf Basis dieses Interviews ist der Artikel “Die schlimmste Nebenwirkung ist die Strafverfolgung” entstanden.

Die schlimmste Nebenwirkung ist die Strafverfolgung

So lautet einer der Werbesprüche des Deutschen Hanfverbandes, der seit März 2002 besteht und umfassende Informationen über das Genussmittel Cannabis bietet. Der Verband warnt vor den gängigen Streckmitteln und kämpft im politischen wie im privaten Bereich für eine Legalisierung von Cannabis und einem liberaleren Umgang mit Hanfprodukten. Kurz vor der Gründung des Deutschen Hanfverbandes fand bei den Grünen eine innerparteilich Diskussion über den Umgang mit Drogen und eine neue, eventuell zweckdienlichere Drogenpolitik statt. Aus dieser Diskussion heraus entstand der Gedanke eines überparteilichen Vereins und letztendlich auch der Deutsche Hanfverband.

„Ich habe mich, damals noch als Parteisprecher der Grünen in Remscheid, selbst angezeigt, wegen Besitz von 4 Gramm Marihuana. Um eben den Unsinn der Cannabisverfolgung deutlich zu machen. Das hat auch pressetechnisch sehr gut funktioniert“, berichtet Georg Wurth, Vorsitzender des Deutschen Hanfverbandes über eine seiner Legalisierungsaktionen. Bis zu einer bestimmten „geringen Menge“ muss der Besitz von Cannabis nicht strafrechtlich verfolgt werden und das Verfahren wird eingestellt. Zwar waren die besagten 4 Gramm eine „geringe Menge“, diese Regelung gilt allerdings nur bei Eigenverbrauch. „Ich hab mir das Cannabis damals zum Zweck dieser Selbstanzeige besorgt. Das habe ich dann auch bei der Polizei angegeben und das war dann wohl auch der erste Grund wieso der Staatsanwalt mich unbedingt verurteilen wollte.“ Diese Erfahrungen haben Georg Wurth schließlich dazu bewogen sich beim Deutschen Hanfverband zu engagieren und den Vorsitz zu übernehmen.

Die Legalisierung oder Entkriminalisierung ist bei weitem keine Randgruppenidee. „ Cannabis geht vom Arbeitslosen bis zum Großbanker oder Politiker. Das ist überall zu finden.“ In Deutschland leben derzeit etwa 13 Millionen Menschen mit entsprechender Konsumerfahrung und nach einer vom Hanfverband in Auftrag gegebenen EMNID-Umfrage, waren 54% der Befragten zumindest für eine Lockerung der derzeitigen Situation. Ist die Drogenprohibition, die dazu gedacht ist, Menschen zu schützen, überhaupt sinnvoll? „Wenn Leute nicht konsumieren, dann haben sie ganz andere Gründe dafür. Insbesondere wenn ihnen die Wirkung nicht gefällt oder weil sie einfach kein Interesse daran haben. Nur 3% der Nicht-Konsumenten sagten in einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, dass sie nicht konsumieren, weil es verboten ist. Die Repression bringt in dem Bereich nichts, aber sie hat ganz viele negative Begleiterscheinungen.“

Zum ersten wird natürlich die Strafverfolgung genannt, der die Konsumenten illegaler Rauschmittel ausgesetzt sind. „Das ist für die Konsumenten natürlich ein riesiger Eingriff ins Leben, wenn sie verfolgt werden, teilweise ihre Wohnung, ihre Jobs oder ihren Führerschein verlieren, riesige Strafen zahlen müssen oder überhaupt zum ersten Mal durch so ein Strafverfahren vom Staat als Kriminelle abgestempelt werden. Ansonsten führen sie meist ein ganz normales Leben, sind keine Verbrecher und plötzlich haben sie eine Hausdurchsuchung. Oder wenn es auch nur ein einfaches Strafverfahren ist, das dann eingestellt wird, trotzdem wird der Staat plötzlich als Feind betrachtet. Das ist ja an sich schon eine sehr negative Begleiterscheinung.“ Nicht nur der Hanfverband sondern auch viele Fachleute aus unterschiedlichsten Bereichen, die sich zum Beispiel im Schildower Kreis (http://www.schildower-kreis.de/) zusammengetan haben, sehen allerdings noch andere negative Auswirkungen. Dem Ziel, den Drogenkonsum einzuschränken, beziehungsweise ihn zumindest kontrollieren zu können, wirkt die derzeitige Drogenpolitik entgegen.

Durch das Verbot gibt der Staat die Zügel vollständig aus der Hand und überlässt das Feld den Kriminellen und mafiaähnlichen Organisationen. „Durch den Markt an sich fördert man kriminelle Strukturen, die man nicht hätte, wenn das in einem legalen Rahmen organisiert wäre. Sie sagen immer, sie wollen gar nicht die Konsumenten verfolgen, sondern nur die Großhändler oder die Dealer, aber genau denen überlassen sie ja diesen Markt exklusiv. Das ist ein Milliardengeschäft. Und das führt z.B. auch zu jeder Menge Schwarzgeld, das im Umlauf ist. Es sind Milliarden, die irgendwie schwarz erwirtschaftet werden und dann zurück in die legale Wirtschaft fließen. Streckmittel sind natürlich auch ein ganz großes Thema. Nach unserer Erkenntnis ist mittlerweile ein sehr großer Teil des Marihuana-Marktes verseucht mit diversen schädlichen Streckmitteln. Ich geh davon aus, dass wir in absehbarer Zeit wesentlich mehr Lungenpatienten in Kliniken und bei den Ärzten haben werden. Das ist natürlich auch eine Auswirkung des Verbots, weil geprüfte Qualität im Fachgeschäft eben sauber wäre. Alleine durch diese Streckmittel werden mehr Cannabiskonsumenten die Gesundheit ruinieren als durch den Cannabiskonsum an sich.“, so Georg Wurth zu den Auswirkungen der derzeitigen Drogenpolitik. Das Verbot soll den Konsum schädlicher Substanzen verhindern und die Menschen schützen, de facto tut es dies allerdings nicht. „Es mag sein, dass das einen ganz kleinen Teil der Konsumenten abschreckt, dafür gibt es aber auch einen kleinen Teil der Konsumenten, die es deswegen erst recht konsumieren“. Organisationen wie der Hanfverband oder der Schildower Kreis machen keine Werbung für illegale Rauschmittel, sondern versuchen konstruktiv an einer neuen Drogenpolitik zu arbeiten, die allen Menschen nützt. „Ich gebe häufig auch Schulveranstaltungen in Kooperation mit der Polizei, bei denen ich die Leute auch warne, dass sie Probleme bekommen können. Dass es z.B. Risikogruppen gibt, bei denen es besonders wahrscheinlich ist, dass Cannabis ihnen eben nicht gut bekommt. Wenn man psychische Krankheiten in der Familie hatte, Psychosen, Schizophrenien oder so etwas, dann sollte man mit Cannabis natürlich sehr vorsichtig sein. Also es geht mir nicht darum, Werbung für das Genussmittel Cannabis zu machen, sondern lediglich darum, zu sagen, wie im Moment mit Millionen Konsumenten umgegangen wird. Das ist einfach nicht sinnvoll, weder für die Konsumenten, noch für die Gesellschaft!“, berichtet Georg Wurth „es sollte jedoch schon klar sein, dass Cannabis eben wesentlich weniger Schäden verursacht als Alkohol. Sowohl gesundheitlich, als auch gesellschaftlich. Und Tabak macht sehr viel schneller abhängig als Cannabis“. Die Statistiken geben solchen Aussagen Recht! Jährlich gibt es in Deutschland ungefähr 2000 Drogentote. Diesen stehen allerdings rund 40.000 Alkoholtote gegenüber. Es geht letztendlich nicht darum, den Konsum berauschender Substanzen zu fördern, sondern darum, eine Gleichbehandlung mit Alkohol und Tabak herzustellen, die sich nach sinnvollen Maßstäben bezüglich Nebenwirkungen, Abhängigkeitsgefahr und Gesundheitsschädlichkeit richtet. Es gibt kaum eine Politik, die so dogmatisch geführt wird wie die Drogenpolitik. Obwohl in Fachkreisen schon lang bekannt ist, dass Verbote die Situation eher verschlechtern und ihrem eigentlichen Ziel entgegen gerichtet wirken, verschließt sich die Politik davor. Im Gegenteil, die Regelungen werden sogar noch restriktiver und immer neue Substanzen, vor allem auch pflanzliche, werden verboten. „ Wir sehen immer wieder die gleichen Mechanismen. Es entsteht ein Schwarzmarkt, der letztendlich viel schädlicher ist für die Leute als die vorherige Situation“, so Georg Wurth.

Im Prinzip wollen Legalisierer und Prohibitionsbefürworter dasselbe Ziel erreichen, nämlich das Verbrechen zu schwächen und die Konsumenten und die Bevölkerung im allgemeinen vor gesundheitsschädlichen Substanzen schützen. Bisher ist man allerdings noch nicht bereit sich von alten Vorstellungen zu trennen um neue, erfolgreichere Wege einzuschlagen. Für das Drogenproblem selber gibt es eigentlich keine Lösung, aber die Probleme, die durch die derzeitigen restriktiven Regelungen entstehen können bekämpft werden.