Hanfparade und gestrecktes Marihuana

Anlässlich der bevorstehenden Hanfparade 2008 hat das freie “Radio Corax” ein Interview mit Steffen Geyer geführt. Dabei ging es im Besonderen um die Problematik gesundheitsschädliche Streckmittel und die Möglichkeiten eines legalen Hanfmarktes zur Qualitätssicherung.

Steffen Geyer: Die Hanfparade ist die letzte deutsche Demonstration für die Legalisierung von Cannabis als Rohstoff, Medizin und Genussmittel. Uns gibt es schon seit 1997 immer im Sommer in Berlin. In den letzten Jahren hat sich der erste Samstag im August als Termin etabliert.

Und wir versuchen mit möglichst viel Beteiligung durch deutsche Cannabiskonsumenten und ihre Angehörige darauf aufmerksam zu machen, dass das Verbot von Cannabis mehr Probleme verursacht, als es Cannabis alleine je könnte.

In diesem Jahr ist unser Motto “Jugendschutz, Verbraucherschutz, Legalisierung”, weil wir darauf hinweisen möchten, dass der Schwarzmarkt sich halt um solche Dinge wie Qualitätssicherung und Altersgrenzen überhaupt gar nicht schert.

Wir hatten im letzten Jahr massiv das Problem, das gesundheitsschädliche Beimengungen in Marihuana waren. Insbesondere Bleivergiftungen im Raum Leipzig haben da die Öffentlichkeit aufgerüttelt, dass der Schwarzmarkt einfach keine Möglichkeit für den Konsumenten bietet, zu überprüfen, was ist eigentlich drin in meinem Joint.

In den Niederlanden ist das anders. Wenn es legale Coffeeshops gibt, können auch Kontrollinstitute beispielsweise der Verbraucherschutz dort ganz normal Proben kaufen und die Kunden informieren.
In Deutschland ist das unmöglich.

Sprecher: Wir sind ja ein freies Radio in Halle. Halle ist nicht weit entfernt von Leipzig und deshalb wird es vielleicht auch einige Hörerinnen und Hörer, die möglicherweise ab und an sich einen Krümel Cannabis in ihre selbstgedrehte Zigarette drehen, auch betroffen haben. Kannst Du mal sagen, was da der aktuelle Stand ist, nach dem großen Medienhype ist davon ja nun nix mehr zu hören.

Steffen Geyer: Das ist ne ganz verzwickte Geschichte. Der Deutsche Hanfverband, wir haben schon im Januar letzten Jahres darauf hingewiesen, dass es im Raum Leipzig immer wieder verdächtige Cannabisproben gibt, die nach Bleisulfid aussehen.

Das Bundesgesundheitsministerium, insbesondere die Bundesdrogenbeauftragte, hat das aber ignoriert über Monate, bis im Sommer letzten Jahres das Gesundheitsamt in Leipzig festgestellt hat: Holla! Wir haben 50 Jahre keine einzige Bleivergiftung gehabt und in diesem Frühling schon 50, irgendworan muss es ja liegen.

Also haben sie die Betroffenen befragt und die einzige Gemeinsamkeit war, dass es alle gelegentliche Cannabiskonsumenten waren.

Und daraufhin hat dann im Oktober letzten Jahres das Gesundheitsamt in Leipzig eine offizielle Warnung rausgegeben, dass es wohl illegale Cannabisprodukte am Markt gibt, die mit bleihaltigen Streckmitteln verunreinigt sind.

Eine genaue Quelle konnte die Polizei bisher nicht ermitteln, aber so wie es aussieht, ist das Problem auch seltener geworden.

Es gibt immer’mal noch Fälle, aber die Mehrzahl der mittlerweile 120 Betroffenen sind alle im letzten Jahr mit dem Blei in Berührung gekommen.

Sprecher: Ok. Also kann man sagen, dass die Qualität jetzt besser geworden ist, oder kann man einfach nur sagen, dass die schlechtere Qualität weniger auftritt?

Steffen Geyer: Das ist schwierig zu beurteilen, da man nicht so genau weiß, wie sich die Stadt Leipzig und der Raum Leipzig mit Cannabis versorgt.
Wir als Deutscher Hanfverband gehen davon aus, dass es da einen einzelnen Dealer gab, der im Zweifel vielleicht sogar nur eine Lieferung damit verunreinigt hat, weil die Gesundheitsgefahren, die man sich da bei der Vergabe dieses Streckmittels aussetzt, sind auch immens.

Das verwendete Bleisulfid ist so gefährlich, dass selbst Hautkontakt schon zu Vergiftungen führt und da geht es nicht nur um “mir ist mal eben schlecht”, sondern um chronische Bleivergiftungen, die schwere Medikamente nach sich ziehen, wenn man nicht innerhalb kurzer Zeit daran sterben möchte.

Wir können keine Entwarnung geben. Es gibt immer wieder Gerüchte und einzelne Leute, die behaupten, sie hätten wieder solches Bleigras in der Hand gehabt. Allerdings ist uns vom Deutschen Hanfverband noch keine Probe zugespielt worden, die wir tatsächlich positiv auf Blei testen konnten.

Und die Apotheke in Viersen, die für das Bundesgesundheitsministerium die Kontrollen übernimmt, veröffentlicht leider ihre Testergebnisse nicht.

Sprecher: Auch nicht für euch als quasi der professionelle Ansprechpartner zum Thema.

Steffen Geyer: Ne, die geben die Informationen leider nur an den jeweils behandelnden Arzt bzw. Patienten raus. Und die Patienten, die dann ein positives Ergebnis gekriegt haben, hatten verständlicherweise andere Sorgen, als den DHV zu informieren.

Sprecher: Ok. Wie ich das jetzt verstanden habe, setzt ihr euch genau dafür ein, mit eurer Demonstration oder mit eurer Hanfparade. Das quasi durch eine Legalisierung die Qualität des ganzen steigt.

Steffen Geyer: Ja, wir wollen halt, dass das Rauschmittel verlässlicher wird. Nicht umsonst steht auf jeder Bier- und Schnapsflasche drauf, wie viel Volumenprozent Alkohol enthält das Getränk. Das sieht man ihm ja nicht an.

Und bei Cannabis ist es ähnlich. Es kommt ja im wesentlichen auf zwei Hauptwirkstoffe an, die auf der Packung, die ich bei meinem Fachgeschäft kaufe, dann draufsteht, “dieses Marihuana enthält 14 Prozent THC”, dann kann ich das viel besser dosieren, als wenn ich beim Straßendealer irgendeinen undefinierten Krümel kriege, von dem ich nicht weiß, ob das was da glänzt nun THC ist oder nur Zuckerwasser oder Glassplitter oder Vogelsand, solche Sachen.

Sprecher: Und dann stell ich mir das so vor, dass ihr dann mit ner großen Meute von Leuten durch Berlin zieht und alle kifft.

Steffen Geyer: Ne, also, Berlin ist schon eine sehr liberale Stadt was das angeht, ausgerechnet zur Hanfparade hat die Stadtregierung natürlich kein Interesse daran solche Bilder zu produzieren.

Und das heißt dann auch: Rings um die Hanfparade ist in der Regel eine Polizeiabsperrung oder gar eine doppelte Polizeiabsperrung und jeder der da rein will, wird erstmal kontrolliert. Wenn man so will, ist die Hanfparade der nüchternste Ort von Berlin, zumindest zu diesem Zeitpunkt.

Wir sind bei weitem auch nicht alles Konsumenten, die da mitmachen. Man muss ja nicht selbst kiffen um zu kapieren, dass das Verbot bescheuert ist. Beispielsweise ist auch meine Mutter jedes Jahr mit dabei, obwohl sie jetzt kein Konsument ist. Aber sie hat halt kein Interesse daran, dass ihr Sohn ins Gefängnis geht, für ein Ding, mit dem er potentiell höchstens sich schadet aber keinem Dritten irgendwas tut. Transscript eines Interviews mit Steffen Geyer auf “Radio Corax”