Antworten von DIE LINKE. Saarland auf unsere Wahlprüfsteine für die Landtagswahl im März 2017

Hier finden Sie die Antworten von DIE LINKE. Saarland auf unsere Wahlprüfsteine für die Landtagswahl im März 2017.

1. Die deutsche Drogenpolitik basiert auf vier Säulen: Prävention, Beratung und Behandlung, Überlebenshilfe und Schadensminimierung, Repression und Angebotsminimierung. In Deutschland werden weit mehr Ressourcen für Repression als für Prävention ausgegeben. Wie bewerten Sie die Schwerpunktsetzung in der Drogenpolitik? Halten Sie die Repression und Kriminalisierung von Drogenkonsumenten für eine sinnvolle Säule der Drogenpolitik?

DIE LINKE hält die genannte Schwerpunktsetzung für falsch. Heutzutage ist es so leicht wie nie, an illegale Drogen zu kommen: Der Konsum geht trotz Repression und Kriminalisierung nicht zurück, sondern nimmt eher zu. Polizeigewerkschaften merken des Öfteren die Ineffektivität ihrer Arbeit in diesem Bereich an, trotzdem gibt Deutschland nachweislich viel mehr Geld für repressive als für präventive Maßnahmen aus. Wir halten es für falsch, dass Prävention auf der Strecke bleibt, wo sie doch das nachweislich wichtigste Werkzeug gegen Drogenmissbrauch darstellt und dennoch eher schlecht als recht in Deutschland ausgebaut ist. Wir setzen uns für ein Recht auf Rausch, vor allem aber für einen umfassenden Schutz aller Konsumenten ein. Wir streben eine kontrollierte Abgabe aller Drogen zum Schutz der Konsumenten und zum Austrocknen des Schwarzmarktes an. DIE LINKE ist der Auffassung, dass die momentane Drogenpolitik mit der Repression im Bereich des Alkoholkonsums in den USA der 1920er Jahre vergleichbar ist, welche im Ergebnis die Mafia stark gemacht und nicht zu einer Reduktion der Konsumentenzahlen geführt hat. Letztendlich ist dieses Vorhaben gescheitert. Heute belächelt man die Illusion einer rauschfreien Gesellschaft eher.

2. Menschen, die Cannabis konsumieren, werden immer noch strafrechtlich verfolgt. Wollen Sie diese Strafverfolgung generell mildern, verschärfen oder unverändert lassen?

Die LINKE fordert in einem ersten Schritt die Entkriminalisierung von Cannabis, sodass einer Legalisierung nichts mehr im Wege steht. Die Vorteile einer Legalisierung sind zahlreich: die Konsumenten sind geschützt, da die Produkte staatlich kontrolliert werden. Der Markt wird keinen kriminellen Strukturen in Hinterzimmern mehr überlassen. Hinzu kommen steuerliche Einnahmen und Entlastungen der Justiz.

3. Nach dem Urteil des BVerfG von 1994 sollen “geringe Mengen” für den Eigenbedarf nicht strafrechtlich verfolgt werden. Wie stehen Sie zur aktuellen Verordnung zur Anwendung der “geringen Menge” nach § 31a BtMG in Ihrem Bundesland und planen Sie Änderungen?

Leider ist §31a BtMG Ländersache und somit nicht einheitlich geregelt. Das Saarland lässt eine Toleranzgrenze bis 6 Gramm zu und verfolgt somit momentan eine restriktive Politik zur Verfolgung von Konsumenten. DIE LINKE fordert, Cannabis vollständig zu entkriminalisieren. Bis zu einer Legalisierung und staatlicher Kontrolle ist es jedoch sinnvoll, Grenzwerte bei der Anzahl der Pflanzen und einer freien Menge bis zu 10g einzuhalten, sodass der Schwarzmarkthandel nicht allzu sehr zunimmt.

4. Bremen will den Anbau von wenigen Cannabispflanzen zur Deckung des Eigenbedarfs in die Verordnung zur “geringen Menge” aufnehmen. Wollen Sie die Strafverfolgung des Anbaus weniger Hanfpflanzen zur Deckung des Eigenbedarfs mildern, verschärfen oder unverändert lassen?

Wie schon in der Antwort zu Frage 3 erwähnt, fordert Die LINKE im Saarland eine Lockerung dieser Bestimmungen.

5. Nach § 3 Abs. 2 BtMG kann eine Kommune oder ein Land eine Ausnahmegenehmigung für eine legale Veräußerung von Cannabis beantragen, wenn dies im wissenschaftlichen oder öffentlichen Interesse liegt. Wie stehen Sie zu einem Modellversuch für eine kontrollierte Veräußerung von Cannabis an Erwachsene?

Das Saarland würde sich zu einem Modellversuch eignen, um Cannabis reguliert an Erwachsene abzugeben. Als Vorbild würde sich etwa die Regelung im US-Bundestaat Colorado anbieten.

6. Welche Strategie schlagen Sie für die Bewältigung der Probleme an bekannten Drogenumschlagplätzen vor?

An bekannten Drogenumschlagplätzen muss es Sozialarbeiter und Präventivmaßnahmen geben. Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Drogenhilfezentren kennen sich mit stadtbekannten Umschlagsplätzen bestens aus. Die Austrocknung des Schwarzmarktes funktioniert langfristig jedoch nur mit der Legalisierung von Drogen und der damit verbundenen kontrollierten Abgabe an Erwachsene.

7. Ein regulierter legaler Markt bietet die Möglichkeit von Qualitätskontrollen bei Cannabisprodukten. Auf dem heutigen Schwarzmarkt sind der Wirkstoffgehalt sowie mögliche Verunreinigungen und Beimengungen des Cannabis für den Konsumenten nicht ersichtlich. Unter dem Aspekt der Schadensminimierung wäre die Möglichkeit für anonyme Substanzanalysen ein drogenpolitisches Instrument, das auch jetzt genutzt werden könnte. Wie stehen Sie zur Qualitätskontrolle (Drug-Checking) von illegalen Substanzen wie Cannabis?

Nicht jeder, der ein Bier nach Feierabend trinken will, möchte sich die volle Dröhnung geben. Ähnlich sieht es beim Konsum von Cannabis aus. Durch den Schwarzmarkt und Deutschlands rückwärtsgewandter Drogenpolitik ist es für Konsumenten jedoch schwierig, den Wirkstoffgehalt oder den Wirkstoffinhalt ihrer Drogen zu erfahren. Andere Länder sind da schon wesentlich weiter und haben das sogenannte „Drug-Checking“ eingeführt, also eine unabhängige Kontrolle der Substanzen, ohne sich der Gefahr einer Strafverfolgung auszusetzen. Dies wäre auch in Deutschland mehr als notwendig. Jährlich sterben unzählige Menschen an den folgen verunreinigter oder unter falschem Namen verkaufter Substanzen. Aufmerksam wird man besonders dann auf diese Umstände, wenn junge Menschen an den Folgen von Heroinüberdosierungen oder durch Ecstasy-Konsum sterben, obwohl z.B. MDMA eine weitaus ungefährlichere Substanz ist als Alkohol. Wird MDMA jedoch mit anderen Substanzen gemischt, kann es gefährlich werden. So etwas lässt sich durch Drug-Checking verhindern. In anderen europäischen Ländern gehört ein Drug-Checking Zelt auf Festivals mittlerweile zur Grundausstattung.

8. Cannabiskonsumenten werden bei der Überprüfung der Fahreignung gegenüber Alkoholkonsumenten benachteiligt. Selbst ohne eine berauschte Teilnahme am Straßenverkehr kann Menschen, die Cannabis konsumieren, der Führerschein über das Verwaltungsrecht entzogen werden. Setzen Sie sich für eine Gleichbehandlung mit Alkoholkonsum bei der Auslegung der Fahrerlaubnisverordnung ein?

Eine ähnliche toxikologische Bewertung von Alkohol und Cannabis in Bezug auf die Fahrtauglichkeit erweist sich als wissenschaftlich umstritten. Der THC Wert im Serum zeigt ab 1 ng/ml zwar einen Konsum von Cannabis an, welcher weniger als sechs Stunden zurückliegen muss, er gibt jedoch keine Auskunft über die Fahrtauglichkeit. Die oft auch in Deutschland herangezogene Karbonsäure von THC (THC-COOH) ist hierfür gänzlich ungeeignet, da sie lediglich das Konsummuster anzeigt. „Das Konsummuster, welches sich auf theoretischer Grundlage aus den toxikologischen Befunden erschließt, rechtfertigt keinen Rückschluss auf den Grad der verkehrssicherheitsrelevanten Leistungen“². Eine abschließende Beurteilung lässt sich so erst nach einer Legalisierung erarbeiten, da die meisten Tests sich nicht unbedingt auf den Menschen übertragen lassen und das Forschen mit Cannabis am Menschen in Deutschland bis dato noch nicht legal war. Für eine Übergangszeit würde sich der Cannabis Influence Factor (CIF) anbieten, welcher wissenschaftlich als weniger umstritten gilt. Hierbei wird eine Formel angewendet, welche die psychoaktiven Komponenten von THC mehr berücksichtigt. Dabei wird ein dimensionsloser ganzzahliger Wert errechnet, wobei eine Größe über 10 als absolut fahruntüchtig anzusehen ist. ¹

9. Viele drogenpolitische Maßnahmen betreffen eher Bundesrecht. Haben Sie vor, Ihre drogenpolitischen Positionen, beispielsweise über Bundesratsinitiativen, auch bundesweit zu vertreten?

Der Einfluss der LINKEN über den Bundesrat ist mit drei Landesregierungen derzeit noch gering. Dennoch werben wir um die Unterstützung unserer Positionen auch durch andere Parteien. Wir werden uns nicht entmutigen lassen, Initiativen zu ergreifen und Anträge zu stellen.

10. Welche drogenpolitischen Initiativen gab es von Ihrer Landespartei und Landtagsfraktion in der aktuellen Legislaturperiode?

In unserem Landesverband hat sich Ende 2016 eine Landesarbeitsgemeinschaft Drogenpolitik gegründet. Diese nahm auch Angebote zur Besichtigung des Saarbrücker Drogenhilfezentrums wahr. Im Landtag kritisierte unser drogenpolitischer Sprecher Ralf Georgi mehrfach sowohl die Landes-, als auch die Bundesregierung für ihre repressive Drogenpolitik. Weiterhin brachten wir im Februar 2015 einen Antrag zur Überprüfung der aktuellen Drogengesetze ein. Die Legalisierung von Cannabis ist auch eines der vier Themenschwerpunkte unseres Jugendverbandes “[‘solid]” im Wahlkampf.

11. Welche drogenpolitischen Initiativen plant Ihre Partei und Fraktion für die kommende Legislaturperiode?

Die LINKE wird sich auch weiterhin für eine Legalisierung von Drogen, insbesondere von Cannabis, stark machen. Auch die Unterstützung des Drogenhilfezentrums liegt uns sehr am Herzen. Initiativen wären beispielsweise, als ersten Schritt, die Entkriminalisierung von Cannabis, oder die erweiterte Freigabe des Opiat-Antagonisten Naloxon, zur schnellen Hilfe bei Heroin-Überdosierungen.

12. Es werden derzeit unterschiedliche Modelle für die Legalisierung weltweit diskutiert und teilweise erprobt. Die öffentliche Zustimmung für eine Legalisierung steigt derzeit rasant. Die Frage ist nicht mehr so sehr, ob wir legalisieren, sondern wie wir regulieren. Wie sollte Ihrer Meinung nach ein regulierter Markt für Cannabisprodukte aussehen?

Die progressivste Drogenpolitik betreibt unserer Ansicht nach derzeit Portugal. Auch die USA sind in Sachen Cannabis in einigen Bundesstaaten – etwa Colorado – weiter als wir. Wir meinen, dass der Anbau der für den Verkauf bestimmten Pflanzen stark staatlich kontrolliert werden sollte, ähnlich wie bei Alkohol. Auch bei Cannabis sollten die Kunden ausführlich informiert werden: über Pflanze, Wirkstoffgehalt, Wirkung und Gefahren. Verkauft werden sollte Cannabis in speziell dafür vorgesehenen Läden. Cannabis sollte nicht unter 18 erhältlich sein. Die Einnahmen aus dem Verkauf könnten für sinnvolle Projekte im Bereich der Prävention, für Investitionen in die Bildung oder im Sozialbereich verwendet werden. Auch hier lässt sich wieder Colorado anführen, wo – allein 2015 – 120 Millionen Euro an Steuern umgesetzt und gemeinnützig verwendet wurden.
 

¹: B. Madea et al., Praxis Rechtsmedizin (2007), Springer Verlag, S.452-453