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Klare Regeln für Cannabis als Medizin gefordert


Meldung des DHV vom 22. 8. 2007

Gestern berichtete die Süddeutsche Zeitung von einer an Multipler Sklerose erkrankten Frau, die eine Ausnahmegenehmigung zur Nutzung von Cannabis als Medizin erhalten hat. Auch andere Medien griffen die Meldung auf, obwohl kaum konkrete Informationen vorliegen.
Der Deutsche Hanf Verband sprach mit Dr. Franjo Grotenhermen von der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin über die Probleme des Falls und seine Auswirkungen für andere Patienten.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat am 09.08.2007 einer Frau aus Nordrhein-Westfalen die Erlaubnis erteilt, einen Extrakt aus natürlichem Cannabis gegen ihre Multiple Sklerose als Medizin zu nutzen. Die Medien griffen die Meldung auf und gehen sogar so weit, in der Entscheidung eine Trendwende zu sehen. Dabei sind auch im Fall der 51-jährigen noch viele Fragen zu klären.

So ist noch völlig unklar, wer den genehmigten Cannabis-Extrakt herstellen wird und welche Rezeptur dabei zur Verwendung kommt. Dies ist insbesondere wichtig, weil die Wahl des Produktionsverfahrens einen wesentlichen Einfluss auf das Verhältnis der im Extrakt enthaltenen Cannabinoide hat. Im Gegensatz zu den bisher zugelassenen Medikamenten, die ausschließlich den Hauptwirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) enthalten, finden sich in “natürlichen Cannabisextrakten” auch bis zu 60 andere medizinisch wirksame Substanzen.
Auch wer das zur Herstellung des Extrakts benötigte thc-reiche Cannabis liefern wird, hat das BfArM der Patientin noch nicht mitgeteilt. In Deutschland verbietet das Betäubungsmittelgesetz den Anbau von Cannabispflanzen für die Produktion von Medikamenten. Der Produzent, der die niederländischen Apotheken mit natürlichem Cannabis versorgt, darf sein Produkt jedoch nicht nach Deutschland exportieren.

Auch wie viel die Patientin für das neue Medikament bezahlen muss weiß noch niemand. Sicher ist bisher nur, dass keine Krankenkasse die Kosten tragen wird.

“Gesundheit und ein schmerzfreies Leben dürfen keine Frage des Geldbeutels sein.” So Steffen Geyer vom Deutschen Hanf Verband. Er sieht in der Frage der Kosten eines der größten ungelösten Probleme.

Der DHV fordert die Politik deshalb auf, klare Regeln zu schaffen, die die Patienten entlasten. Bisher verweigert die Mehrheit der Krankenkassen sogar die Kostenübernahme für eine Behandlung mit Dronabinol, obwohl das Präparat seit Jahren weltweit ohne Probleme eingesetzt wird und bereits unzähligen Menschen geholfen hat.

“Die meisten, denen Cannabis helfen könnte, haben keine Chance die rund 600 Euro pro Monat aus der eigenen Tasche zu bezahlen. Die Kriminalisierung von Cannabis zwingt sie, sich auf dem Schwarzmarkt mit Cannabis zu versorgen.” So Geyer. Dabei ist die Qualität von Schwarzmarktcannabis für den Patienten reine Glückssache. Immer wieder ist illegal erworbenes Marihuana mit Streckmitteln oder gesundheitsschädlichen Beimengungen verunreinigt.

Welche Auswirkungen die Entscheidung des BfArM für die Anträge anderer Patienten hat, kann Dr. Grotenhermen noch nicht einschätzen. Er ist sich jedoch sicher, dass das gewachsene Interesse der Medien zu einer neuen Antragswelle führen wird und vergleicht die Situation mit der nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.05.2005. In seiner damaligen Entscheidung verbot das Gericht dem BfArM, Ausnahmegenehmigungen für den Besitz von Cannabis an Schwerkranke prinzipiell zu verweigern. Dennoch versucht das BfArM bis heute alles, um möglichst keine Ausnahmegenehmigungen erteilen zu müssen. So warten noch mehr als 50 Patienten auf eine Entscheidung. Mehrere Patienten versuchen sogar, eine Entscheidung vor Gericht zu erzwingen, weil sie befürchten, vor der Erteilung der Genehmigung zu versterben.

Als Reaktion auf die erteilte Genehmigung haben einige Patienten sogar eine Email-Protest-Aktion gestartet, an der man sich auf der Webseite des Selbsthilfenetzwerks Cannabis Medizin beteiligen kann.

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