Leserthema: Kiffen ohne Konsequenz

Ein schöner Bericht über die wachsende politische Debatte zur Cannabislegalisierung, in dem auch der DHV und seine Arbeit beleuchtet werden. Auf Presseanfragen der Redaktion an die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler wurde scheinbar nicht reagiert.

Im Berliner Büro von Georg Wurth geht es derzeit etwas chaotisch zu. Zum einen, weil der Chef des Deutschen Hanfverbandes (DHV) die Website überarbeitet. Vor allem sorgen aber drei Kino-Werbespots des DHV für mächtig Wirbel. In den Filmchen, die seit November in über 334 Kinos in 189 deutschen Städten laufen, wirbt der Hanfverband offensiv für die Freigabe von Cannabis. “Die Legalisierung ist unsere Mission. Ein Verbot funktioniert schlichtweg nicht”, sagt Wurth am Telefon.

Die Reaktionen auf den medialen Vorstoß des DHV sind gespalten. Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) sagt: “Der Konsum von Cannabis ist und bleibt gefährlich.” Und die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler (CSU) warf den Fürsprechern einer Cannabis-Legalisierung in einer ersten Stellungnahme im November “gefährliche Verharmlosung” vor. Eine Freigabe wäre “ein völlig falsches Signal”. Der Hanfverband würde “auf schäbige Art und Weise mit den Ängsten der Menschen spielen”.

Stichhaltige Argumente für Legalisierung
“Völliger Blödsinn”, entgegnet Georg Wurth. Es gäbe viele stichhaltige Argumente für eine Legalisierung. Die könnten auch nicht von der Bundesdrogenbeauftragten wegdiskutiert werden. “Es gibt im Jahr weit mehr als 100.000 Straftatbestände wegen Cannabis, die meist ens eingestellt werden”, nennt Wurth ein Beispiel. Zudem lohne sich ein Blick nach Holland, wo die Droge in sogenannten Coffeeshops von Erwachsenen legal erworben werden kann. “Dort wird auch nicht mehr konsumiert als in Deutschland. “Da frage ich mich: Was nützt da ein gesetzliches Verbot?” Und da wäre noch der Milliardenmarkt der kriminellen Dealer. “Wir brauchen Fachgeschäfte mit Qualitäts- und Alterskontrollen. Der Staat würde so auch viel Steuergelder einnehmen.” Auf bis zu zwei Milliarden Euro wird der Cannabis-Jahresumsatz auf dem Schwarzmarkt geschätzt.

Eines der wichtigsten Themen des DHV: der medizinische Nutzen. Den beiden Hauptwirkstoffen Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) wird eine krampflösende und schmerzlindernde Wirkung zugeschrieben.

Michael Siefener, Pressesprecher des bayerischen Staatsministeriums, sagt hingegen: “Cannabiskonsum ist oftmals der Einstieg in eine unrühmliche Drogenkarriere.” Gerade Kinder und Jugendlichen seien gefährdet, “in die Suchtspirale zu geraten”.

Georg Wurth ärgern solche Aussagen. Sicher dürfe man die Folgen von exzessivem Cannabis-Konsum nicht kleinreden. Aber das wäre doch auch bei Alkohol und Zigaretten so. “Die Dosis macht das Gift.” Unterstützung erhält Wurth in diesem Punkt von recht prominenter Stelle: Grünen-Chef Cem Özdemir findet es “heuchlerisch”, dass auf dem Oktoberfest sieben Millionen Liter Bier ausgeschenkt werden, “aber der kleinste Joint mit ein bisschen Cannabis verteufelt wird und zu einem Strafverfahren führt”.

Fest steht: In Deutschland kommt bezüglich einer Cannabis-Legalisierung langsam aber sicher Bewegung. Das beweist ein Blick nach Berlin und Köln: Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg plant derzeit einen Modellversuch zur kontrollierten Abgabe von Cannabis in Form eines Coffeeshops. Und auch in der Domstadt wurde der Antrag zur Einrichtung eines Coffeeshops in der Innenstadt angenommen.

Georg Wurth nimmt derartige Entwicklungen zufrieden zur Kenntnis. Dass sich in naher Zukunft an der Gesetzeslage generell etwas ändern wird, glaubt der DHV-Chef allerdings nicht. “Man merkt schon, dass ein Umdenken stattfindet. Aber bis konkrete Änderungen kommen, wird es noch dauern.”

Trotz mehrmaliger Anfrage hat die Pressestelle der Bundesdrogenbeauftragten Marlene Mortler auf unsere aktuellen Fragen zu einer möglichen Legalisierung von Cannabis nicht geantwortet.