Junge Welt: Mehr Veranstaltungen als je zuvor und jede Menge Zulauf

Global Marijuana March«: Aktionen für die Freigabe von Cannabis in vielen Städten. Ein Gespräch mit Georg Wurth, Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbandes. Interview: Peter Wolter

An diesem Samstag wird unter dem Etikett »Global Marijuana March« in vielen Ländern für die Freigabe von Cannabis demonstriert. Was ist nach Ihrer Kenntnis in Deutschland geplant?

Wir haben in Deutschland mehr Veranstaltungen als je zuvor, wir haben jede Menge Zulauf. In elf Städten sind Aktionen geplant. Ich bin sicher, daß mehr Menschen als je zuvor für die Legalisierung von Cannabis auf die Straße gehen.

Wie ist der »Global Marijuana March« entstanden? Er soll gleichzeitig in 500 Städten stattfinden.

Diese Bewegung wurde vor vielen Jahren in den USA aus der Taufe gehoben, irgendwann in den 90er Jahren. Die öffentlichen Aktionen, die zwischendurch auch mal »Millenium Marijuana March« genannt wurden, finden jeweils am ersten Samstag im Mai statt. Koordiniert wird alles von New York aus.

Welche Rolle spielt der Hanf-Verband dabei?

Es ist nicht so, daß wir die Proteste in Deutschland koordinieren, das findet eher über lose Absprachen der Gruppen untereinander statt. Vergangenes Jahr haben wir ein Forum ins Internet gestellt, mit dessen Hilfe sich Leute vernetzen können, die sich für die Freigabe von Cannabis einsetzen. Mittlerweile haben sich unabhängige Ortsgruppen gebildet, sehr unterschiedlichen Charakters: Einige agieren völlig frei, andere stehen Parteien nahe. Offizielle DHV-Ortsgruppen gibt es aber nicht. Wir helfen natürlich bei der Abstimmung, haben auch ein Plakat zur Verfügung gestellt, mit dem wir im Internet Werbung machen. Der DHV organisiert keine Demonstrationen, sondern setzt auf die »Schwarmintelligenz« – das funktioniert immer besser.

In Berlin gibt es seit 1997 jeweils im August die Hanfparade – geht die jetzt im »Global Marijuana March« auf?

Die Hanfparade ist das Flaggschiff aller in Deutschland stattfindenden Demos in Sachen Hanf. Sie wird auch weiterhin stattfinden – sie ist keine Konkurrenz, sondern eine Ergänzung.

Viele Länder Europas gehen mittlerweile relativ liberal mit Cannabis um. Sehen Sie Anzeichen dafür, daß auch Deutschland eine lockerere Haltung einnehmen könnte?

Das ist eine schwierige Frage, Deutschland ist schon sehr zäh in diesem Bereich. Es gibt zwar immer mal wieder kleinere Auflockerungen des rigiden Umgangs der Behörden mit Cannabis, und zwar, wenn in Bundesländern SPD und Grüne regieren. Unter dem Strich geschieht aber sehr wenig – wir haben soeben noch eine Protestmail an alle grünen Landesverbände mit Regierungsbeteiligung geschickt.

In Spanien und Belgien dulden die Behörden sogenannte Cannabis-Clubs. Wäre das ein Modell für Deutschland?

Auf jeden Fall. Cannabis-Clubs funktionieren so, daß Menschen gemeinsam Hanf anbauen. Begonnen hat das in Spanien, da haben Cannabis-Interessierte sich in Clubs zusammengetan und dann 15 Jahre vor Gericht für deren Duldung gekämpft. Mittlerweile gibt es dort Hunderte solcher Clubs. Belgien hat nachgezogen. Der Vorteil ist, daß solche Clubs die meisten Probleme lösen, die durch den unkontrollierten Straßenverkauf entstehen. Ich denke vor allem an die Streckmittel, die dem Cannabis beigefügt werden, um sein Gewicht und damit den Verkaufspreis zu erhöhen. Dieses Problem ließe sich durch den Eigenanbau in Clubs lösen. Sie könnten auch dazu beitragen, die kriminellen Strukturen auszutrocknen, die sich im Schwarzmarkt gebildet haben – unter dem Strich geht es dabei um Milliardensummen. Politiker liegen falsch, wenn sie warnen, mit der Freigabe von Cannabis würde ein neuer Markt dafür aufgemacht – das Gegenteil ist richtig: dieser Markt ist längst da. Hin und wieder wird mal ein Dealer von der Polizei herausgegriffen – es gibt auf diesem Sektor aber weder Jugendschutz noch Qualitätskontrolle.

Finden Sie Resonanz für Ihre Forderungen im Bundestag?

Insbesondere bei Grünen und Linken, die stehen voll auf unserer Seite, zumindest programmatisch. Bei den anderen Parteien ist das schwieriger. Es gibt sicher auch CDU-Abgeordnete, die schon gekifft haben. Aber trotzdem findet man keinen, der offen für die Liberalisierung eintritt.In den USA ist die Stimmung mittlerweile anders, in Colorado und Washington wurde erst im Herbst per Volksabstimmung Cannabis freigegeben. Laut Umfragen sind weit über 50 Prozent der US-Bevölkerung dafür, Cannabis genau so zu regulieren und zu besteuern wie Wein.